Was für ein Willkommen, als ich die traumhafte Insel vor mir ausgebreitet sah! Bewundernd ließ ich meinen Blick über das bezaubernde Eiland schweifen und vergaß augenblicklich alle Strapazen der Reise. Noch mehr staunte ich, als unmittelbar darauf eine Vielzahl an Erkenntnissen vom Himmel fiel, die sich in meinem Bewusstsein zu einem vollständigen Gefüge zusammensetzten. Zugleich begriff ich, dass jedes Wesen und jede Begebenheit die zugeordnete Rolle im kosmischen Plan einnahm. Jedes Ding folgte seiner Bestimmung und es gab nichts, was außerhalb des gigantischen Führungswerkes fungierte. Diese Einsicht zeigte sich in der Totalen. Es kam mir vor, als wollten diese Offenbarungen mir gerade in dem Moment etwas Dringliches mitteilen. Zugleich tauchte ein Gefühl auf, dass alles, was jetzt auf dieser Insel auf mich zukommen sollte, vollkommen in Ordnung war und ich mich einfach hingeben durfte.
Immer noch völlig fasziniert schaute ich auf die sandbedeckte Halbinsel, die auf einer Seite durch einen breiten Mangrovenfluss vom Festland abgeschnitten lag. Dahinter lag das offene Meer mit einer Brandung, die man aus der Ferne bereits donnern hörte. Wie beruhigend, nach diesen langen Anstrengungen endlich warmen Sand unter den Füßen zu spüren!
Es gab ein einziges offenes Restaurant, das aus Schwemmholz gebaut und mit Tüchern zusammengehalten war. Dieser Schuppen gehörte einer dunkelhäutigen Frau, die wie Mama Leone aus Afrika aussah. Erfreut kam sie uns entgegen, um uns als einzige Gäste willkommen zu heißen. Während sie unser Essen zubereitete, teilte Mutter mit, dass sie für ein paar Tage fortgehen musste. An diesen Ort durften wir Kinder sie nicht begleiten und daher sollten wir dort ein paar Tage auf ihre Rückkehr warten. Für uns sei gesorgt, denn die Besitzerin habe sich einverstanden erklärt, uns in dieser Zeit zu versorgen. Sie selbst werde am Sonntag zurückkommen, um die Rechnung zu begleichen.
Im selben Moment wurde das Essen zu Tisch getragen und ich stocherte lustlos im Teller herum. In aller Klarheit fühlte ich, dass Mutter log und keinesfalls beabsichtigte, am Sonntag zurückzukehren. In mir kam eine Gewissheit auf, dass sie uns für immer verlassen werde. Doch ich sagte nichts und überließ es der Vorsehung, ihren unerschütterlichen Bahnen zu folgen. Zugleich tauchte ein sanftmütiges Gefühl auf, dass ich mich um nichts zu kümmern brauchte, als meiner Bestimmung zu folgen.
Ohne stehen zu bleiben oder sich zu verabschieden, stieg Mutter sogleich ins Boot und ließ uns mit den Worten zurück, dass sie bald zurück sei und wir so lange brav sein sollten. Wortlos standen wir noch eine Weile am Strand und schauten zu, wie sich die Schaluppe von uns entfernte. Mutter war fort, ohne sich noch einmal zu uns umzudrehen. Meine Schwester machte sich darüber überhaupt keine Sorgen. Sie freute sich darauf, die riesige Sandburg als Spielparadies in Beschlag zu nehmen. Ohne abzuwarten hüpfte sie vor lauter Vorfreude in den Dschungel hinein.
Mein Selbst befand sich in einem eigentümlichen Zustand. Aus dem Nichts bildete sich um meinen Leib eine schimmernde Sphäre aus Blau, die unendlich weit in den Kosmos hinein ragte. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt. Das übliche Energiefeld hatte sich bislang als elektrisches Feld gezeigt, aber dieses mutete in seinem Erscheinungsbild magnetisch an. Erstaunlich! Es regten sich keine Atome darin. In dieser unendlichen Weite fühlte ich mich fantastisch leicht und dimensionslos, als würde mein Selbst nur noch aus Kosmos bestehen. Eingehüllt in die gigantische Sphäre verhielt sich mein System merkwürdig still, als würde es einzig auf den Atem des Universums lauschen. Die ganze Umwelt nahm ich auf einmal ganz anders wahr. Es war, als hätten sich tausende Ohren und Sinne im ganzen Raum geöffnet. Selbst die Vorgänge der Welt schienen plötzlich wie in Zeitlupe zu laufen.
Unerwartet umgab mich zugleich ein Gefühl des absoluten Getragenseins. Darin tauchte das Wissen auf, dass nun jeder für sich dazu aufgefordert war, seiner Bestimmung innerhalb des „Großen Ganzen“ zu folgen. Mutter würde weiterziehen, denn ihre Aufgabe war erfüllt. Tatsächlich sollte sie mich bis an diesen Ort führen, um anschließend ihrem eigenen Schicksal zu begegnen. Trotz der sich abzeichnenden Endgültigkeit tauchte in mir kein Widerspruch oder ein Gedanke des Verlustes auf. In meinem tiefsten Innern fühlte ich in aller Deutlichkeit, dass dieser Ablauf vom Übergeordneten erwünscht war und ich diesem Willen bedingungslos folgen konnte. Zudem tauchte die Gewissheit auf, dass meine Schwester in dieser „Einen Präsenz“ ebenso gut aufgehoben war. „Es“ würde sich voll und ganz um alles kümmern. Von ganzem Herzen konnte ich alle Menschen aus meinem Leben frei geben, um damit meine Stellung im kosmischen Plan einzunehmen. Alles, was passierte, fügte sich in seine vorbestimmte Anordnung dieser Hochburg ein und ich zeigte mich bereit, mich ebenfalls einzureihen. Selbstlos machte ich mich auf, um in der Inselmitte einen geschützten Ort aufzusuchen und mich allumfassend meiner Aufgabe, der inneren und vollständigen Versenkung, zu widmen.